Lesen Sie hier noch einmal die Predigt von Seelsorgerin Corina Martinas vom diesjährigen Erntedank-Gottesdienst in der Klinik-Kapelle:

Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.

Sooft ich diesen Vers aus dem 145. Psalm höre, kommt mir das Bild eines sehr hungrigen Kindes in den Sinn, das mit großen erwartungsvollen Augen am Tisch sitzt und sich ganz selbstverständlich darauf verlässt, dass seine Eltern es schon versorgen werden. Im Grunde genom­men verhält es sich zwischen Gott und uns nicht anders – wir kommen zu Gott mit nichts anderem als mit leeren Händen, und Gott füllt unsere leeren Hände.

 

Die Bibel, als die Geschichte Gottes mit den Menschen, erzählt auch von der Barmherzigkeit Gottes. Es gibt Situationen in der Geschichte Isarels, da hat Gott sogar selbst dafür gesorgt, dass die Menschen zu essen bekommen.

Es regnet Brot vom Himmel. Was für ein Bild. Und dazu noch süß wie Honigkuchen. Mitten in der Wüste. Sorget euch nicht, denn es wird jeden Tag etwas geben. Euer Gott im Himmel sorgt dafür. Dabei ist das Volk mitten in der Wüste. Die Wüste als Ort der Entbehrung. Da fehlt an allem: Wasser, Essen, verlässlichem Schatten vor der Sonne. Es gibt keine zuverlässige Quelle für Wasser oder Nahrung, der Boden ist trocken und gibt nichts her. Die Israeliten in dieser Geschichte haben sich zu recht gefragt: so sieht Freiheit aus? Eine Wüste?

Und dann kommt die Hilfe direkt vom Himmel: Gott lässt Brot auf die Erde regnen. Und zwar jeden Tag. Welches Gefühl muss es sein, so etwas zu erleben? Bestimmt erstmal große Verwunderung: was ist das? Denn sie wussten nicht, was es ist. In der Tat, der Verstand kann es nicht fassen. Aber die Hilfe ist verlässlich: jeden Tag, genug für alle. Was für eine Erleichterung. Und Dankbarkeit! Denn die Herrlichkeit Gottes ist in diesem Fall sichtbar wie Brot.

 
Die Bibel schlägt uns hier eine neue Haltung vor: Vertrauen. Auch wenn es mal im Leben berechtigte Sorgen gibt, darf das Vertrauen an Gott größer sein. Und dadurch geschieht die wahre Befreiung, eine Befreiung im Inneren. Denn wenn ich glaube, dass Gott mit trägt, in allem und durch alles was passiert, dann sind alle Wüsten des Lebens auch vergänglich. „Das tägliche Brot gib uns heute“ sagt Jesus, denn er kennt die tägliche Fürsorge des Vaters.

 
Wir stehen nun auch als Gesellschaft auf einem sehr trockenen Boden der Tatsachen: die Inflation ist da, wir wissen nicht, ob die Energievorräte ausreichen. Auch die Getreidespeicher sind fast leer. Werden wir genug haben? Können wir in dieser Situation aber auch versuchen, dem Vertrauen mehr Raum zu geben als unseren Sorgen?

Auch persönlich kennen wir ja alle die Wüste. Die Krankheit, zum Beispiel. Die uns hier jeden Tag begegnet, in diesem Haus. Sie bedeutet Schmerzen, Einschränkungen, auch Isolation. Manchmal ist da auch die Frage: warum passiert mir das? Es ist schwer darauf eine Antwort zu geben. Manchmal lerne ich von den Patienten eine neue Sicht auf die Dinge. Ich habe zum Beispiel einmal eine Frau besucht, die sehr schwer krank war, sie hatte sehr große Schmerzen und dennoch hatte sie einen Strahlen in den Augen und eine Zufriedenheit im Gesicht. Ich glaube, es war bei meinem dritten Besuch bei ihr, dass sie sagte: „Wie gut dass ein Kreuz an der Wand hängt, direkt vor mir. Ich gucke  immer wieder darauf und das hilft mir sehr!“

So einen direkten Zugang zu einem Gefühl der Zuversicht haben wir nicht alle. Aber ich denke, jede hat seine/ihre persönliche Art, sich an dieses Gefühl des Vertrauens zu erinnern. Mir hilft es tatsächlich, immer wieder, immer mehr, und vor allem bewusst, dankbar zu sein. Und das fängt damit an, dass ich wahrnehme, was ist. Und es auch annehme und schätze. Denn wir können tatsächlich die Wenn ich die die Blickrichtung ändern und auf den heutigen Tag schauen, auf die Gaben, die uns heute geschenkt werden, meist ohne unser Zutun. Wir können uns in der Dankbarkeit üben, für alles was ist.

Die Bibel schlägt uns eine Haltung des Vertrauens vor: Gott gibt in Fülle, jeden Tag. In der Beziehung zu Gott dürfen wir jeden Tag aufs Neue die Nahrung für Leib und Seele erwarten. Nicht auf Vorrat, sondern täglich und ausreichend.

Das Erntedankfest, das wir heute feiern, erinnert uns daran, dass wir nicht aus uns selbst leben, sondern unser Leben dem Segen Gottes verdanken. Und wir sehen: wir sind reich beschenkt. Und können auch selber aus überfüllten Körben weiterschenken. Diese Gaben sind nun ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir alles, was wir zum Leben brauchen, reichlich empfangen. Jeden Tag aufs Neue. Nicht nur das Licht, aber auch den Sonnenaufgang dazu. Nicht nur das Brot, aber noch so viele Sorten Lebensmittel. In allen Formen und Farben und Geschmacksrichtungen. Mehr als genug. Eine Erinnerung daran, dass die Liebe Gottes kein Maß kennt.

 

Wir können auch danken. Und auch darum bitten, dass wir alle Gaben in unserem Leben sehen.

Und morgen ist noch ein Tag, der uns hoffentlich geschenkt wird. Noch ein Sonnenaufgang, noch ein Lächeln in einem freundlichen Gesicht. Noch mal das Zwitschern der Vögel. Noch mal der Wind in den Blättern.  Noch mal das rötliche Licht am Abend. Und am Ende, für uns alle, die Herrlichkeit Gottes.

Amen